Deutschlandreise |
In der Tradition von Heinrich Heine bis Hannes Wader — Adamaschek & Shiregreen gelingt mit Deutschlandreise eine Neubelebung zeitkritischer Liedermacherkunst „Denk ich an Deutschland in der Nacht, dann bin ich um den Schlaf gebracht“ - der bekannte Eingangsvers aus Heinrich Heines Nachtgedanken könnte durchaus auch über dem neuen Album von Adamaschek & Shiregreen stehen. In einem weitgefächerten Liederzyklus von 16 Songs setzt sich der Liedermacher Klaus Adamaschek poetisch und kritisch mit Deutschland auseinander und bietet dabei mit seiner Band Shiregreen einen exzellenten Mix aus frischem Songwriter-Folk und kammermusikalischen Elementen. Mit Deutschlandreise knüpft Adamaschek an die lange Tradition zeitkritischer Liedermacher wie Franz-Josef Degenhardt, Hannes Wader oder Rio Reiser an. Deutschlandreise ist bereits das zwölfte Album des 62-jährigen Singer-Songwriters Klaus Adamaschek, der heute im nordhessischen Rotenburg an der Fulda lebt, nach Neue Pfade (2015) und Traumwandler (2017) aber erst sein drittes in deutscher Sprache. „Ausgangspunkt war das Spielbrett des alten Spieles Deutschlandreise, das wir als Kinder gefühlte tausendmal gespielt haben und das uns deutsche Klischees vermittelt hat, ohne dass wir die zugehörigen Orte je gesehen hätten“, erläutert Adamaschek im Booklet. Und so ist Adamaschek auf der Suche nach Wirklichkeit und Inspiration für mehrere Monate kreuz und quer durch die Republik gereist, und es sind wieder durchweg authentische Erlebnisse, von denen er in seinen Liedern erzählt. Sie sind einfach nur wahr, Adamascheks Geschichten von der roten Rose an einer Straße Kurz vor Fulda oder vom Spaziergang durch sein Kindheitsviertel in Gelsenkirchen aus dem Ruhrgebiets-Lied In diesen Straßen. Und ja, der Bischof von Worms hat in seinem Dom tatsächlich Ostereier gesegnet, wie der Song Da ist ein Bussard augenzwinkend berichtet. So zeichnet Adamaschek ein facettenreiches Deutschlandbild mit vielen kleinen und großen Rissen. „Deutsch bleibst du dein Leben lang“ heißt es gleich zu Beginn im brillanten Titelsong, in dem es um die innere Zwiespältigkeit gegenüber der eigenen Heimat geht, die schon sein Vater ihm mit auf den Weg gegeben hat. Gleich darauf folgt die elektrisierende Zugnummer Über die Wupper, die die Klischees des alten Brettspiels mit bissiger Ironie zu einem ernüchternden Deutschland-Mosaik zusammenführt. Natürlich fehlen auf dem Album nicht die klassischen Shiregreen-Themen wie Fernweh, Liebe oder Natur. Aber Deutschlandreise ist vor allem ein zeitkritisches Themenalbum, das auch politisch eine klare Kante zeigt. So rechnet Adamaschek in Germanische Hochkultur mit böser Ironie mit Deutschtümelei und „rechten Geschichtsverdrehern“ ab, und in Gerd und Tom analysiert er klar und einfach die wachsende Kluft zwischen Arm und Reich in Deutschland. „Wie schade, dass man da nix machen kann“, so sein bitteres Fazit. Doch dazwischen sind es dann immer wieder die kleinen menschlichen Momente wie im luftigen Ostsee-Song Die kleine Charlie und das Meer, die den Zuhörer auch einmal entspannt durchatmen und lächeln lassen. Und dabei spürt man in jeder Zeile, dass Adamaschek weiß, wovon er schreibt. In seinem bunten Berufsleben arbeitete der gelernte Deutsch- und Sportlehrer u. a. mit Schülern, Azubi, Flüchtlingen, Aussiedlern und Sozialpädagogen und leitete schließlich über 20 Jahre ein namhaftes Umweltbildungszentrum. 2015 verabschiedete sich Adamaschek vorzeitig aus dem Lehrerdasein und wendete sich endgültig der Musik zu. Dass trotz des hohen Anspruchs und über 70 Minuten Spieldauer niemals Langeweile aufkommt, das ist das Verdienst einer virtuos aufspielenden und experimentierfreudigen Band. Das Album ist geprägt von einem steten Wechsel zwischen stillen kammermusikalischen Momenten u. a. mit Geige, Bratsche, Kontrabass, Klavier und Akkordeon und spannungsgeladenen Elementen aus Rock, Folk und Blues, bei denen dann auch mal E-Gitarren und Synthesizer zu hören sind. Zusammengehalten wird diese außergewöhnliche Mischung von Adamascheks Gitarre, seiner charismatischer Stimme und einem ausgefeilten Chorgesang. Zur Stammbesetzung von Shiregreen zählen Paul Adamaschek mit Bass und Gesang, der Geiger Lukas Bergmann, Sascha Schmitt an Akkordeon und Tasteninstrumenten sowie die Sängerin und Percussionistin Marisa Linß, die beim verträumten Wunderland auch als Lead-Sängerin glänzen kann. Neu dabei ist Johannes Gunkel, der mit Kontrabass und Gitarre für überaus sensible Untertöne sorgt. Als Gastmusiker tritt Leander Heise am Flügelhorn auf. Aufgenommen wurde das Album von Wolfgang Manns im Toolhouse-Studio in Rotenburg an der Fulda, einem der Top-Studios in Deutschland. Cover und Booklet sind aufwändig und mit viel Liebe zum Detail gestaltet, das 20-seitige Booklet enthält neben allen Texten auch Liner Notes und stilisierte Deutschlandkarten, die die Lieder verorten. Verantwortlich für das überzeugende Artwork zeichnen der Grafik-Designer Michael Poppe-Kalthoff und die Fotografin Tina Stengel. „Niemandes Land, das niemand gehört, in Niemandes Hand, was Niemanden stört“, so lautet Adamascheks Vision in Niemandes Land, dem vielleicht schönsten Song des Albums. Deutschlandreise ist ein herausragendes Album mit Ecken und Kanten, an dem man sich durchaus reiben kann und wohl auch wird. Adamaschek & Shiregreen überzeugen mit inhaltlicher Tiefe und musikalischer Vielfalt, und nicht zuletzt mit einem klaren humanistischen Fundament. Das Album erscheint am 16.10.2020 bei DMG Germany. |